Grundlagen der Cannabistherapie
So wirkt Cannabis im Körper
Unser Körper verfügt über ein eigenes Regulationssystem, das sogenannte Endocannabinoid-System. Es spielt eine zentrale Rolle bei der Steuerung von:
  • Schmerzempfinden
  • Schlaf
  • Appetit
  • Stimmung
  • Immunsystem und Entzündungen
Cannabis enthält natürliche Wirkstoffe, die diesen Prozessen auf natürliche Weise entgegenwirken oder sie ausbalancieren können. Die beiden wichtigsten Cannabinoide sind:
CBD (Cannabidiol)
  • Wirkung: entzündungshemmend, angstlösend, beruhigend
  • Eigenschaft: nicht psychoaktiv
  • Typische Anwendung: Angstzustände, Schlafprobleme, Entzündungen, Endometriose
THC (Tetrahydrocannabinol)
  • Wirkung: schmerzlindernd, muskelentspannend, appetitanregend
  • Eigenschaft: psychoaktiv (kann Rauschgefühl auslösen)
  • Typische Anwendung: chronische Schmerzen, MS, Appetitlosigkeit
Was ist das Endocannabinoid-System?
Das sogenannte Endocannabinoid-System ist ein wichtiger Bestandteil unseres Körpers – auch wenn viele Menschen noch nie davon gehört haben. Es besteht aus einem Netzwerk von Rezeptoren, die sich im gesamten Körper befinden – insbesondere im Gehirn, im Rückenmark und im Immunsystem.
Die Hauptaufgabe dieses Systems ist es, für Gleichgewicht und Stabilität im Körper zu sorgen – ein Zustand, den die Medizin Homöostase nennt. Es reguliert zentrale Funktionen wie Schmerzempfinden, Schlaf, Stimmung, Appetit und auch Entzündungsreaktionen.
Cannabis wirkt im Körper, weil seine natürlichen Wirkstoffe – insbesondere THC und CBD – an die Rezeptoren des Endocannabinoid-Systems andocken können. Sie ahmen dabei körpereigene Botenstoffe nach und können auf diese Weise gezielt Prozesse beeinflussen – zum Beispiel Schmerzen lindern oder Entzündungen abschwächen.
Darreichungsformen von medizinischem Cannabis
Inhalation (Blüten über Vaporizer)
Beschreibung: schnelle Wirkung, individuell dosierbar
Wirkungseintritt: nach wenigen Minuten
Tropfen / Öle (Extrakte)
Beschreibung: präzise Dosierung, langfristig stabil
Wirkungseintritt: nach ca. 30–60 Minuten
Kapseln
Beschreibung: einfache Einnahme, verzögerte Wirkung
Wirkungseintritt: nach ca. 1–2 Stunden
Sprays / Tinkturen
Beschreibung: Sublingual verabreicht, über die Mundschleimhaut
Wirkungseintritt: nach ca. 15–30 Minuten
Topische Produkte (Salben)
Beschreibung: Zur äußeren Anwendung auf der Haut
Wirkungseintritt: individuell
Welche Form am besten geeignet ist, entscheidet der Arzt gemeinsam mit dir – abhängig von Symptomen, Alltag und persönlicher Verträglichkeit.
Wissenschaftliche Erkenntnisse
Was ist bereits gut untersucht und wo besteht weiterer Forschungsbedarf?
In den letzten Jahren ist das Interesse an Cannabis als Medizin deutlich gestiegen. Weltweit – aber auch in Deutschland – gibt es inzwischen eine Vielzahl an Studien, die sich mit Wirksamkeit und Sicherheit beschäftigen.
Gut untersucht:

- Chronische Schmerzen (v. a. neuropathisch)
- Spastiken bei Multipler Sklerose
- Übelkeit & Erbrechen bei Chemotherapie
- Schlafstörungen
Hier liegen systematische Übersichtsarbeiten und klinische Studien mit hoher Aussagekraft vor. Viele Patient:innen profitieren.
Im Aufbau / in Erprobung:

- Depressionen & Angststörungen
- ADHS bei Erwachsenen
- Endometriose
- Migräne
Erste Studien zeigen positive Effekte, die Forschung steht aber teilweise noch am Anfang oder basiert auf kleineren Gruppen. Die Anwendung erfolgt aktuell oft „off-label“, d. h. außerhalb der Standardindikation – mit ärztlicher Einzelfallbeurteilung.
Forschung in Deutschland: Wo stehen wir aktuell?
Cannabis in der medizinischen Forschung
In den letzten Jahren ist die Cannabisforschung in Deutschland deutlich vorangekommen. Vor allem seit der Legalisierung medizinischen Cannabis im Jahr 2017 – und noch verstärkter nach der Entstigmatisierung durch die Gesetzesänderung 2024 – investieren immer mehr Forschungsinstitute, Universitäten und Kliniken in gezielte Studien.
Das Ziel: Die Wirkung von Cannabis auf verschiedene Krankheitsbilder besser verstehen, Dosierungen optimieren und langfristige Effekte bewerten.
Forschungsschwerpunkte im Überblick
Forschungsfeld
Schmerztherapie
Ziele der Forschung
Wirkung bei chronischen und neuropathischen Schmerzen, Alternative zu Opiaten
Forschungsfeld
Neurologische Erkrankungen
Ziele der Forschung
Einsatz bei MS, Epilepsie, Morbus Parkinson
Forschungsfeld
Psychische Gesundheit
Ziele der Forschung
Einfluss auf Angststörungen, Depressionen, ADHS
Forschungsfeld
Frauenmedizin
Ziele der Forschung
Studien zu Endometriose, PMS und Wechseljahresbeschwerden
Forschungsfeld
Gastroenterologie
Ziele der Forschung
Cannabis bei Morbus Crohn, Reizdarm oder Appetitverlust
Forschungsfeld
Langzeitbeobachtungen
Ziele der Forschung
Sicherheit, Verträglichkeit und Abhängigkeitspotenzial
Forschungsfeld
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Ziele der Forschung
Wechselwirkungen verstehen und Therapien kombinieren
Wer forscht in Deutschland?
Einige Institutionen und Projekte, die aktiv an der medizinischen Cannabisforschung beteiligt sind:
  • Charité Berlin Studien zu Cannabis bei MS, ADHS und Angst
  • Universitätsklinikum Düsseldorf Cannabinoide in der Schmerztherapie
  • BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) Datenanalyse aus Begleiterhebungen
  • Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung Hamburg (ZIS) Fokus auf Langzeitwirkungen und Sicherheit
  • Cannabis Research Institute Berlin (CRI) Anwendungsbeobachtungen und Therapieoptimierung
Praxisnahe Daten
Die Begleiterhebung des BfArM
Ein wichtiger Forschungsbaustein in Deutschland war die sogenannte Begleiterhebung des BfArM. Zwischen 2017 und 2022 wurden dabei Daten von rund 10.000 Patient:innen ausgewertet, die medizinisches Cannabis erhalten haben.
Ergebnisse im Überblick
>70 % der Patient:innen berichten von einer „deutlichen Verbesserung“ der Beschwerden
Häufigste Indikation: Chronische Schmerzen (63 %)
Nebenwirkungen: meist mild (z. B. Müdigkeit, Mundtrockenheit), selten behandlungsrelevant
Behandlungserfolg: häufig bereits innerhalb der ersten Wochen spürbar
Wo geht die Forschung hin?
Personalisierte Cannabistherapie
Cannabis‒Behandlung individuell abgestimmt
Jeder Mensch reagiert anders auf Cannabis – abhängig von Genetik, Krankheitsbild und Stoffwechsel. In der modernen Forschung wird daher verstärkt an maßgeschneiderten Therapien gearbeitet. Ziel ist es, Dosierung, Sortenwahl und Anwendungsform individuell zu optimieren – für maximale Wirkung bei minimalen Nebenwirkungen.
Sortenvielfalt & Terpenprofile
Wie Cannabissorten unterschiedlich wirken können
Cannabis ist nicht gleich Cannabis. Neben THC und CBD spielen auch Terpene – natürliche Aromastoffe der Pflanze – eine zentrale Rolle. Sie beeinflussen Geruch, Geschmack und vor allem die Wirkung auf Körper und Psyche. Neuere Studien untersuchen, welche Sorten bei welchen Beschwerden besonders geeignet sind – z. B. schlaffördernd, schmerzlindernd oder stimmungsaufhellend.
Kombinationsbehandlungen
Mehr Wirkung durch ganzheitliche Ansätze
In vielen Fällen kann Cannabis besonders effektiv sein, wenn es mit anderen Behandlungsformen kombiniert wird. Physiotherapie, psychologische Begleitung oder Ernährungsberatung sind Beispiele für Therapien, die sich sinnvoll mit einer Cannabisbehandlung verknüpfen lassen – vor allem bei chronischen Schmerzen, ADHS oder psychosomatischen Beschwerden.

Digitale Begleitung
Apps & Tools für den Alltag mit Cannabis
Die moderne Cannabistherapie wird zunehmend durch digitale Helfer unterstützt: Apps zur Dokumentation der Einnahme, Tagebücher zur Wirkungskontrolle oder Dosierungshilfen helfen Patient:innen, ihre Therapie besser im Blick zu behalten. Auch für Ärzt:innen und Apotheken wird so die Therapieanpassung einfacher und sicherer.
Fazit
Die Cannabisforschung steckt nicht mehr in den Kinderschuhen – aber sie ist auch noch nicht am Ziel. Immer mehr Ärzt:innen, Kliniken und Patient:innen beteiligen sich an Studien oder geben Erfahrungsberichte weiter. Das hilft, die Therapie besser zu verstehen – und verantwortungsvoll weiterzuentwickeln.
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